Ein Troubadour der leisen Art
Henrik Geidt mit Jörg Jenner im „Pünktchen und Anton “
Im Saarland ist der Sänger deutschsprachiger Chansons zuhause und die doch größere Nähe unserer Nachbarn zum Französischen mag auch den seltsam ambivalenten Begriff, einerseits deutsch, andererseits Chanson, erklären. Geidts Lieder und Texte könnten auch Schlager genannt werden, wäre der Begriff bei uns nicht hoffnungslos aufs Seichte ausgerichtet. Und die Zeit des Nationalsozialismus hat das ihre getan, um die Tradition des deutschen Schlagers der 20er Jahre radikal zu kappen. Doch in der weiten Welt des Pop hat auch der witzige, melancholische, scharf- wie auch unsinnige Liedtext wieder ein warmes Plätzchen gefunden, wo er blühen und gedeihen darf.
So muss sich Geidt mit seiner Kunst zwischen Pop und Liedermachern verorten lassen, was zählt am Ende, ist eh die Komposition aus Text und Musik an sich. Der studierte Musiker gibt an seinem elektronischen Klavier, das auch mal wie ein Harmonium klingt, den abgeklärten, eleganten Unterhalter, stark unterstützt von Jörg Jenner am Kontrabass, der auch mal ganz eigen eine zweite Stimme im Refrain oder einen winzig-kurzen Kommentar einfließen lässt.
Geidts Texte sind hochverdichtete Erzählungen aus dem Alltag, oft mit leiser Ironie durchwirkt, die auch als Gedichte für sich stehen könnten. Doch erst mit der „Minimalmusik“ von ihm an den Tasten und den Jennerschen Kontrabassläufen wird meist ein kleines Kunstwerk draus. Sei es der Blick auf den Marketingwahnsinn mit Punktesammeln und dem Drücken von Zufriedenheitsknöpfen im Baumarkt, oder der Selfie-Stick, der überall in die Welt ragt, um den Fotografen weiblich wie männlich optimal beim Stützen des schiefen Turms zu Pisa, mit der Mona Lisa oder auch der Queen aufs digitale Bild zu bannen.
Man muss diese Art der Weltbetrachtung mit leiseren Tönen natürlich mögen, die sanfte Melancholie, die Liebeslieder wie „Sommer 84“ und auch die Liebeserklärung an die kleine Tochter („Eine die mich mag“) grundiert. Musik, die sehr gut ins Pünktchen und Anton passt, auch wenn, siehe Intro des Textes, an diesem Abend noch reichlich Platz war. Auch seinen Zwiespalt bei der Kindererziehung hat Geidt in Verse gefasst: Mit dem Strom zu schwimmen mag leichter sein. Doch des Vaters Segen hat das Kind auch, wenn es, weil das Herz es will, den eigenständigen „Weg der Dornen“ wählt. Das alles im Lied musikalisch gefasst von einem jazzigen Fender-Rhodes-Pianosound, und auch da passte Jenners Spiel auf dem Zupf- und Streichbass wunderbar.
Doch Geidt kann auch etwas – für seine Verhältnisse – boshafter, wenn es wie beim schwungvollen „rien ne va plus“ um Raffen und die Bankenwirtschaft geht oder ganz lokal um die äußerst schräge Marketingaktion „Frühling im Gewerbepark“. Vieles aus den musikalischen Kosmen von Klassik bis Rock zitiert der Klavierspieler, doch genauso raffiniert und beiläufig wie das Ironische in seinen Texten.
Fünf CDs hat der Chansonnier (ja, doch) schon produziert, die meisten der Lieder des Abends sind auf der letzten versammelt, die den Titel „Beziehungsweisen“ trägt. Wer sich ein Bild (und einen Klang) von der großen Kleinkunst des Sängers und Klavierspielers machen will, der hat auf www.henrikgeidt.de einige Gelegenheiten dazu. (mfu)